Leitzsatz zur Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes vom 19.12.2003 (Az: 6 St RR 149/2003):
1. Bei dem Lauf eines MG34 handelt es sich nicht um den Lauf eines vollautomatischen Gewehres i.S.d. § 53 WaffG, sondern
um einen Lauf eines Maschinengewehres gemäß Kriegswaffenliste Teil B V Nr. 29a i. V. m. Nr. 34. Auf Maschinengewehre
wurde das für voll- und halbautomatische Gewehre geltende Zeitlimit aus der Neufassung der Kriegswaffenliste nicht anwendbar.
2. Aus dem Verschlechterungsverbot gemäß § 2 StGB ist bei Tateinheit von Besitz und Überlassen einer Kriegswaffe
die Anwendbarkeit von §§ 22a KWKG, § 57 Abs. 1 WaffG n. F. anzuwenden, da die Strafvorschriften des KWKG keine
Regelung zum unerlaubten Vertrieb einer Kriegswaffe enthalten.
3. Das Sammelgebiet einer Sammler-WBK „der von ... deutschen Truppenverbänden geführten ... Waffen“ stellt nicht zwingend
darauf ab, daß die in das Sammlergebiet fallenden Waffen in Deutschland hergestellt und auch von Deutschen Truppen tatsächlich
benutzt wurden. Diese Umstände mögen den Sammlerwert beeinflussen, sie tangieren jedoch nicht die Sammlungsgeeignetheit.
4. Hersteller einer Waffe ist derjenige, der eine Schußwaffe aus beschafften wesentlichen Teilen im Sinne des § 3 WaffG a. F.
zusammensetzt. Der Zusammenbau einer unvollständigen Fundwaffe mit einem dazu passenden vorhandenen oder beschafften Verschluß
und einem Schaft stellt daher ein erlaubnispflichtiges Herstellen einer Schußwaffe dar.
Kommentierung der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichtes.
1. In dem hier entschiedenen Fall hat das Bayerische Oberste Landesgericht zum Teil der Revision der Verteidigung stattgegeben,
zum Teil aber der Revision der Staatsanwaltschaft Rechnung getragen. Der Beschuldigte hatte für einen Bekannten einen
verschlossenen Karton verwahrt, in dem sich nach Angaben des Bekannten ein Deko-Teilesatz eines MG34 befand. Als entgegen der
Abrede dieser Karton nicht wieder rechtzeitig abgeholt wurde, stellte der Beschuldigte fest, daß sich neben dem Deko-Teilesatz
in dem Karton zwei nicht demilitarisierte MG-Läufe befanden. Nachdem mehrere Versuche zur Rückgabe an den Eigentümer
gescheitert waren, beschloß der Beschuldigte, den unerwünschten Deko-Teilesatz einschließlich der Läufe an
den nächstbesten Interessenten zu veräußern. Hierbei geriet er an einen verdeckten Ermittler,
der gezielt Scheinkäufe von Kriegswaffen inszenierte.
Bei der im Rahmen der Ermittlung erfolgten Durchsuchung wurde des weiteren ein Karabiner K 98 festgestellt, der weder in der
grünen, noch in der roten Sammler-WBK eingetragen war. Der Beschuldigte konnte insoweit darlegen, daß er Lauf und
Abzugseinrichtung im Zuge von Grundstücksarbeiten gefunden und mit einem Schaft sowie einem Verschluß aus
eigenem Bestand ergänzt hatte.
In der Vorinstanz war der Beschuldigte wegen eines der MG-Läufe gemäß § 53 WaffG n. F. verurteilt worden,
bezüglich des Karabiners erfolgte eine Verurteilung wegen Erwerbes, Ausüben der tatsächlichen Gewalt und Bearbeitens.
Das Landgericht verurteilte zu einer Geldstrafe von 55 Tagessätzen, die mit der Revision angegriffen wurde.
Das Bayerische Oberste Landesgericht stellte klar, daß Läufe von Maschinengewehren nicht als Läufe von
Vollautomaten, die vor 1945 eingeführt wurden angesehen werden können, sondern entsprechend wie schwere Maschinengewehre
gemäß § 22a KWKG als Verbrechenstatbestand einzustufen sind. Tragbare Maschinengewehre fallen nach Sicht des
Bayerischen Obersten Landesgerichtes somit nicht unter die Ausnahmeregelung zur Kriegswaffenliste, wonach Vollautomaten, die
vor 1945 eingeführt wurden, nach dem WaffG n. F. verurteilt werden. Hieraus folgt zum einen, daß derartige Gegenstände
nach dem KWKG zu beurteilen sind.
2. Das KWKG stellt allein die Ausübung der tatsächlichen Gewalt, nicht jedoch den versuchten Verkauf unter Strafe.
Als Mindeststrafe für derartige Delikte setzt das KWKG grundsätzlich ein Jahr Freiheitsstrafe fest, es handelte sich
somit um einen Verbrechenstatbestand.
Die im neuen WaffG heftig umstrittene Frage der rechtlichen Subsumierung von Teilen von vor 1945 eingeführten Vollautomaten
brauchte vor diesem Hintergrund vom Gericht nicht entschieden zu werden.
3. Daneben hat das Gericht eine weitreichende Entscheidung zum Umfang der Erwerbserlaubnis auf der Grundlage einer roten Sammler-WBK getroffen,
in dem es die Verurteilung wegen Erwerbs und Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Waffe aufhob. Der
Beschuldigte verfügte über eine Sammelerlaubnis für die von Deutschen Truppenverbänden geführten Waffen.
Im Zuge der Ermittlungen wurde festgestellt, daß es sich bei dem vorliegenden K 98-Modell um ein Produkt aus Teilen unterschiedlicher
Fertigung gehandelt hat, die überwiegend weder vom Sammelgebiet noch vom Zeitraum in den Sammelbereich des Beschuldigten fielen.
Das Bayerische Oberste Landesgericht hat jedoch festgestellt, daß die insoweit von der Behörde erteilte Sammelerlaubnis zunächst
weit auszulegen ist, um dem Sammler die Möglichkeit einzuräumen, möglicherweise in das Sammelgebiet fallende Objekte zunächst
erwerben und prüfen zu können. Dies korrespondiert auch mit der langen Eintragungsfrist für die rote Sammel-WBK gem. § 28 VII WaffG a.F.,
in der eine derartige Prüfung regelmäßig erfolgen konnte (Achtung: 2003 geänderte Regelung!). Dies bedeutet jedoch für Sammler,
daß eine Waffe, die auf den ersten Anschein in das Sammelgebiet fallen könnte bereits von der generellen Erwerbserlaubnis
der Sammler-Karte gedeckt ist. Entsprechend ist auch die Ausübung der tatsächlichen Gewalt über einen derartigen
Gegenstand zunächst ohne Eintrag zulässig.
Die Rechtsprechung hat damit den Handlungsspielraum der Sammler wesentlich erweitert. Es ließ sich hierbei auch von
dem Gedanken tragen, daß gerade kulturhistorische, aber auch technische Sammlungen der jeweiligen Entwicklung Rechnung tragen müssen.
Die Verwendung von Beutewaffen bei militärischen Einheiten war insbesondere im 2. Weltkrieg stark ausgeprägt, so daß
grundsätzlich auch Waffen und Waffenteile aus ausländischer Herstellung in ein Sammelgebiet fallen können und damit
zunächst erwerbbar sein müssen.
Insoweit gab das Gericht dem Revisionsantrag der Verteidigung vollumfänglich statt und hob die vorinstanzliche Verurteilung auf.
Der Beschuldigte wurde insoweit freigesprochen.
4. Daneben befaßte sich das Revisionsgericht mit der erfolgten Verurteilung wegen Bearbeitens einer Schußwaffe.
Auch dieser Aspekt hielt der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zum einen stellte das Gericht klar, daß im bloßen
Zusammenbau von Waffenteilen kein Bearbeiten gesehen werden kann. Da es sich jedoch um einen Zusammenbau aus Teilen unterschiedlicher
Fertigung gehandelt hat, sah das Gericht den Tatbestand des Herstellens einer Schußwaffe für gegeben an und änderte
das Urteil entsprechend ab.
Für Sammler bedeutet dies, daß beim Erwerben von wesentlichen Waffenteilen als Waffenfragmente die Frage der
Berechtigung zur Vervollständigung derartiger Teile sorgfältig geprüft und gegebenenfalls einem Büchsenmacher
überlassen werden muß. Ansonsten empfiehlt sich für Waffensammler der Erwerb einer nichtgewerblichen
Herstellungs- und Bearbeitungserlaubnis, um derartige Risiken zu vermeiden.